Die zeitgenössische Welt und die postkonziliare Orthodoxie
Das Ökumenische Patriarchat veröffentlichte kürzlich ein Dokument mit dem Titel „Für das Leben der Welt. In Richtung eines Sozialethos der Orthodoxen Kirche“ – eine Sammlung von Positionsbestimmungen zur Haltung der Kirche zu aktuellen gesellschaftlich relevanten Fragestellungen. Ziel dieses Dokuments ist es, Antworten auf Fragen des persönlichen Lebens und Herausforderungen in der heutigen Welt zu geben, um diese mit einer christlich-orthodoxen Lebensweise zu vereinbaren. Das jüngste Dokument befasst sich mit wichtigen Themen der Gegenwart, wie zum Beispiel den ökumenischen Beziehungen, mit dem Verhältnis von Kirche und Staat und dem interreligiösen Dialog, kriegerischen Konflikten, Demokratie, Wissenschaft und Technologie, Konsum, Frauen, Armut, Menschenrechten, Gerechtigkeit und Sexualität.
Es ist nicht der erste Versuch aus der orthodoxen Welt, eine Sozialtheologie zu entwerfen. Bereits im Jahr 2000 hat das Patriarchat von Moskau ein Dokument zu den „Grundlagen der Sozialdoktrin der Russisch-Orthodoxen Kirche“ veröffentlicht. Die Heilige und Große Synode von Kreta, die 2016 tagte, verabschiedete ebenfalls unter dem Titel „Die Sendung der Orthodoxen Kirche in der Welt von heute“ ein Papier, das sich ausschließlich sozialen Fragestellungen widmete, die sich auch in der „Enzyklika“ des Konzils niederschlagen. Der theologische Ansatz verschiedener sozialer Themen ähnelt einigen Dokumenten des Zweiten Vatikanischen Konzils (ex. Gaudium et spes) oder denen der nachkonziliaren Päpste (ex. Evangelii Gaudium), die versuchten, das fortzusetzen, was in der katholischen Kirche begann Mehrere andere katholische oder protestantische Dokumente haben einen ähnlichen Inhalt.
Die kommende Ausgabe der RES zielt auf die Erkundung und Reflexion der Entwicklung einer Sozialen Orthodoxen Theologie ab und verortet diese im multikonfessionellen Kontext des nach-konziliaren Zeitalters, beginnend mit der Veröffentlichung des Ökumenischen Patriarchats. Darüber hinaus sollen Dokumente, die Aufschluss über die Haltung verschiedener christlicher Konfessionen zu Fragestellungen aus dem sozialen Problemhorizont liefern, in vergleichender Perspektive betrachtet werden. Welche Bedeutung kommt dem neuen Dokument zu? Steht es im Einklang mit der patristischen Tradition? Bringt es Neuerungen mit sich? Ist seine Entstehung im Zusammenhang der orthodoxen Identitätsbildung in Auseinandersetzung mit anderen konfessionellen oder religiösen Identitäten zu verstehen? Ist der gewählte Zugang für die gesamte orthodoxe Welt relevant und anschlussfähig? In diesem Sinne heißen wir Untersuchungen zu den Quellen, Kontexten und Themen, zu der Bedeutsamkeit und über deren ökumenische Verbindungen, die sich ausgehend vom Dokument des Ökumenischen Patriarchats eröffnen, ebenso willkommen wie Studien zu früheren Versuchen aus dem orthodoxen Umfeld, eine Soziale Theologie zu entwerfen.
Einsendeschluss: 1. Dezember 2020
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